Erschienen am: 09.11.2002
Zeitung: Teterower Zeitung
Redakteur: SM
10 Jahre Nording Bulls
Rollstuhlfahrer begingen Jubilaeum in Teterower Gymnasiumsporthalle
Teterow. Elektro-Rollstuhlhockey, eine Sportart, zu der man nicht ganz freiwillig kommt. Eine Sportart, die man betreibt, um seine Lebenssituation als Schwer- oder Schwerstbehinderter besser zu meistern, eine Moeglichkeit das alltaegliche Leben, das nicht alltaeglich ist, aktiv zu gestalten.
Dabei ist der Aufwand oft enorm und die Fahrt zu einem Wettkampf mit sechs bis sieben Spielern ist mit der Reise einer Fussballmannschaft, einschliesslich Ersatzspielern nicht zu vergleichen.
Alf Möser aus Lalendorf, vorher aktiver Fussballer, der seit einem Sportunfall hochgradig querschnittsgelaehmt ist, bekam durch seine Physiotherapeutin den Hinweis auf die Sportart Elektro-Rollstuhlhockey, kurz E-Hockey. In den suedlichen Bundeslaendern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, aber auch in Holland, wurde diese Sportart aktiv betrieben und regelmaessig nationale und internationale Meisterschaften ausgerichtet.
Mit Jan Elbracht sowie seinem Vater Günter, heute in der Mannschaft respektvoll „Vater unser“ genannt, machte sich Alf auf den Weg nach Neubrandenburg, um sich bei Christian Schad, genannt Charly, und Rita Henning ein Video ueber ein E-Hockey-Turnier anzusehen. „Danach stand fest, das wollen wir auch machen.“ Alle sind noch heute bei den Nording Bulls, wie sich die Mannschaft dann nannte, die sich ein paar Monate spaeter gruendete.
Unter Anleitung von Rita Henning an der Behindertenschule Neubrandenburg wurden die „ersten Meter“ gefahren. Die Anfaenge waren mehr als stuemperhaft. Die Versuche mit einem Hockeyschlaeger den Ball ins Tor zu bekommen endeten oft erfolglos. Alf mit seinem Rollstuhl als Torwart war oft viel zu langsam und der Ball laengst drin, bis er an Ort und Stelle war. Doch es wurde weiter gemacht. Neue Mitspieler kamen hinzu. Matthias Krasa, der schon in Bochum bei den Ruhr Rollers gespielt hatte, Steffen Prochner, Stephan Kobelt, der jedes Mal die Anfahrt aus Görlitz in Kauf nimmt, Steve Freundenberg, Günter Bischof und Detlef Kuhlmann aus Bielefeld, der jetzt eventuell eine weitere E-Hockeymannschaft aufbauen will. Die Nording Bulls wollen ihn dabei tatkraeftig unterstuetzen, so wie es bei ihren Anfaengen andere getan haben. Nicht zu vergessen Matthias Rutschke und Rolf Hertscher, Karl Liermann aus Teterow kam als juengster Spieler zuletzt dazu und seine gesamte Familie, Eltern, Oma und Opa unterstuetzen ihn dabei und sind begeisterte Zuschauer, Sinnbildlich dafuer, dass nur mit der Unterstuetzung der Familie und Pfleger dieser Sport ueberhaupt erst moeglich wird.
Zurueck zu den Anfaengen. „Bildet ihr eine Mannschaft und bleibt dabei, bekommt ihr von uns einen Rollstuhl geschenkt“, so kam das Echo auf die Aktivitaeten von einem Müchener Förderkreis. Der Rollstuhl laeuft dank der hervorragenden technischen Betreuung durch Günter Möser immer noch. Auch fuer technische Details und Kniffe zeichnet dieser verantwortlich. Nicht unwichtig bei diesem Sport. Das Geschenk von damals wurde uebrigens bei der Festveranstaltung zum 10jaehrigen symbolisch weitergereicht. Die Gastmannschaft aus Berlin Buch, die im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft durch reine Privatinitiative des Trainers E-Hockey spielt, konnte vom Jubilaeumsturnier einen Rollstuhl mitnehmen, den die Nording Bulls kuerzlich gespendet bekamen. Das erste Turnier 1993 in Neubrandenburg, organisiert durch den FSVB e.V. war gleich recht erfolgreich fuer die „Green Horns“ aus dem Norden. Trotz grosser Nervositaet wurden sie Gruppenerster, und das war Motivation genung weiter zu machen, eine Bestaetigung auf dem richtigen Weg zu sein. Zahlreiche Einladungen zu Turnieren folgten, die Kreise zogen sich immer weiter, bis in die Schweiz und danach Dänemark. Ein Hoehepunkt die Fahrt von fuenf Nording Bulls im vergangenen Jahr zu den Weltspielen nach Uebersee.
Mit seiner Berufung in die deutsche Nationalmannschaft brachte Jan Elbracht 1997 die Nording Bulls weiter ins Gespraech. Bei der WM 1998 in Holland konnte er mit der Nationalmannschaft den Vizeweltmeistertitel erringen.
Doch „nur“ zu Turnieren fahren war den Nording Bulls nicht genug. Mit dem Wechsel vom Neubrandenburger Sportklub zum SV90 Lohmen 1997 kamen zu den sportlichen Aktivitaeten organisatorische hinzu. 1997 wurde das erste eigene internationale Turnier mit grosser Unterstuetzung der Gemeinde Lohmen, der Reha Klinik „Garder See“ und der Stadt Güstrow ausgetragen. Seit 1999 wird alle zwei Jahre der „Euro-Cup“ im E-Hockey ausgetragen. Inzwischen ist die Stadt Teterow durch die guten sportlichen Bedingungen und die engagierte Mitarbeit zu einem weiteren Partner der Nording Bulls geworden.
Wenn man einmal angefangen hat, multiplizieren sich die Aktivitaeten. Die Festveranstaltung zum 10jaehrigen Jubilaeum der Nording Bulls im Gymnasium Teterow bot Gelegenheit einerseits Bilanz zu ziehen und anderseits ueber naechste Vorhaben zu berichten.
Zu den vielen Gratulanten gehoerte unter anderem Teterows Stadtraetin Frauke Martens und Amtsleiterin Sabine Stelley vom Landkreis Güstrow. Neben den guten Wuenschen und ueberraschenden Praesenten wurde auf der Veranstaltung eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Landkreis Güstrow, der Stadt Teterow, den Nording Bulls im SV90 Lohmen sowie dem in Gruendung befindlichen „Förderverein Nording Bulls“ i.G. unterschrieben. Der Förderverein soll in Zukunft, neben der Unterstuetzung der Aktivitaeten der Nording Bulls, weitere Initiativen einbeziehen. Mit Unterstuetzung und Hilfe vieler konnten die Nording Bulls das werden, was sie heute sind. Nun wollen sie einen Teil davon weiter geben, anderen helfen und unterstuetzen, auf den verschiedensten Gebieten. Dazu gehoert die Gewinnung weiterer Spieler, um behinderte Menschen aus der Isolation treten zu lassen, Beratungsfunktion bei der Planung behindertengerechter Einrichtungen uebernehmen und junge Menschen innerhalb von Projektarbeiten mit einbeziehen, unter anderem die Hemmschwellen zwischen nichtbehinderten und behinderten Menschen abzubauen.
Bei allen Erfolgen, die die Nording Bulls in den 10 Jahren erreicht haben, gab es auch Niederlagen, die nicht verhinderte werden konnten. Zwei ehemalige Spieler sind nicht mehr mit dabei. Matthias Rutschke und Rolf Hertscher. Wenn die Erinnerung an diese Spieler aufkommt, werden die Sportler von der Realitaet des Rollstuhls eingeholt.
Doch es heisst nach vorne schauen und weitermachen. In menschlicher und sportlicher Hinsicht. Der Termin fuer den mittlerweile 3. Euro-Cup im Elektro-Rollstuhlhockey steht bereits fest, vom 14. bis 17.8.2003 in Teterow.
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