Erschienen am: 14.02.2017
Zeitung: Schweriner Volkszeitung
Redakteur: Dörte Rahming
Im Rolli in die Bundesliga
Christopher Beß leidet an einer unheilbaren Erbkrankheit/Sein Leben meistert er dennoch selbstständig
Rostock. Ende der 80er war der Norden der DDR das Gebiet mit der jüngsten Bevölkerung.
Seit der Wende aber hat sich diese Statistik komplett umgekehrt. In unserer Serie wollen wir zeigen, dass es junge Menschen gibt, die sich bewusst für den Nordosten entscheiden. Die hier Chancen sehen, die andere nicht gesehen haben.
Vor der Couch im Wohnzimmer liegt ein Teppich – wie bei anderen Familien auch. Bei Christopher Beß zu Hause ist es jedoch der einzige, denn seine Mutter und er sind beide auf den Rollstuhl angewiesen und brauchen deshalb glatte Böden. Sie leiden an Muskeldystrophie, einer unheilbaren Erbkrankheit, die nach und nach die Muskeln schwinden lässt. „Welche genaue Unterart es bei mir ist, wissen die Ärzte nicht“, sagt Christopher. „Deshalb können sie auch schlecht sagen, wie es weitergeht.“
Als Kind konnte er manchmal noch frei gehen, doch über die Jahre wurde es immer schlechter. Der 17-Jährige besucht eine Spezialschule in Rostock, die liegt allerdings am anderen Ende der Stadt. Er fährt mit der Straßenbahn – eine Stunde hin, eine Stunde zurück. „Das bietet sich in Rostock an, denn ich kann an jeder Haltestelle ein- und aussteigen.“
Er besucht jetzt die 10. Klasse, hat sie aber auf zwei Jahre gestreckt. „So wird die körperliche Belastung nicht zu groß, es ging einfach nicht mehr anders.“ Er selbst möchte nach seinem Abschluss eine Ausbildung zum Kaufmann im Gesundheitswesen machen – am liebsten in Rostock. „Das ist meine Heimat, ich möchte nicht weg. Und außerdem ist die Stadt ziemlich behindertenfreundlich.“
Generell macht Christopher so viel wie irgend möglich selbst: „Ich bin jemand, der alles erstmal allein versucht, und der es hasst, von anderen abhängig zu sein.“ Schuhe anziehen geht nicht, aber im Unterricht mitschreiben geht gut. Er kann einkaufen und kochen, am
Computer spielen und das Smartphone benutzen. „Wichtig ist, dass ich mich verständigen kann, dass ich mich traue, fremde Leute anzusprechen, wenn ich Hilfe brauche. Die meisten reagieren sehr freundlich. Manche ignorieren mich auch.“
Mittlerweile ist er meist mit seinem Elektro-Rollstuhl unterwegs, denn die Kraft in seinen Armen reicht nicht mehr, um einen mechanischen Rollstuhl vorwärtszubewegen. „Im Sommer machen wir Touren mit Fahrrad oder Skateboard, das heißt, ich fahre im Rollstuhl mit, und manchmal hängen sie sich mit dem Board ran.“
Christopher selbst gehört zur E-Rollstuhl-Hockey-Mannschaft „Nording Bulls“ – der einzigen in MV. Einmal im Monat ist Training in Lalendorf bei Güstrow. „Der Gründer unseres Vereins
wohnt dort, und es gibt eine Halle, in der wir trainieren können. Dort stehen auch unsere Vereins-Rollstühle, die flitzen ein bisschen mehr als die normalen.“ Seine Mannschaftskameraden kommen aus Neubrandenburg, Putbus, Berlin, einer sogar aus Görlitz. Im Nord-Cup gibt es fünf Spieltage pro Jahr, meist in Berlin. Aber die „Nording Bulls“ spielen auch in der Bundesliga und stehen derzeit auf Platz 2. Für die Spiele reisen sie nach München, Frankfurt, Heidelberg – „man kommt viel rum“, freut sich Christopher. Er scheint zufrieden. „Ich kenne ein Leben ohne Behinderung nicht, also vermisse ich es auch nicht. Natürlich gibt es Schockmomente, wenn ich etwas nicht mehr schaffe, was früher noch ging. Aber man gewöhnt sich daran.“
Start |
Team |
Erfolge |
Media |
Förderverein |
Links |
Gästebuch |
Datenschutz |
Kontakt
© Nording Bulls 1992-2024 – Alle Rechte vorbehalten