Erschienen am: 24.12.1992
Zeitung: Nordkurier
Redakteur: Bernd Hamann
Nording Bulls – Jungs, die kein Mitleid wollen
Elektro-Rollstuhl-Hockey-Team bereitet sich auf EM in Viertorestadt vor
Neubrandenburg. „Die Bedienung? Ganz einfach. Funktioniert wie ein Joystick beim Computerspiel“, versichert Alf Moser und manövriert seinen Spezial-Elektro-Rollstuhl mit Hilfe einer Kinnsteuerung zielsicher in die bedrohte Ecke des kleinen Hockey-Tores. Sekunden später ist der Schuß des Gegners mit einem am unteren Teil seines Gefährts befestigten Schläger abgewehrt.
Gemeinsam mit fünf anderen Sportkameraden bereitet sich, der querschnittsgelähmte Keeper der „Nording Bulls“, des ersten und einzigen Elektro-Rollstuhl-Hockey-Teams in Mecklenburg-Vorpommern, auf die inoffizielle E-Hockey-Europameisterschaft im April kommenden Jahres in der Viertorestadt vor. Neben dem „Comitee on Sports for People with Diabilities“ (eine Kommission der Europäischen Gemeinschaft zur Unterstützung behinderter Menschen) haben der Veranstaltung auch die Kommune, der Behindertensportverband Mecklenburg-Vorpommerns sowie Sponsoren ihre finanzielle Unterstützung zugesichert.
Für die Titelkämpfe liegen den Organisatoren des Neubrandenburger Freizeitsport Vereins für Behinderte (FSVB) bereits jetzt Meldungen von 14 Mannschaften aus der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich und ganz Deutschland vor.
Sportart erst 10 Jahre alt
Gerade mal zehn Jahre alt ist diese Sportart, bei der die E-Rollstuhl-fahrer mit ihrem 10 km/h schnellen Untersatz durch die Hallen flitzen. Eine Hand am Steuerknüppel - von einigen auch nur das Kinn - in der anderen einen leichten Plastikschläger, so absolvieren sie nach einem eigens geschaffenen, dem Hallenhockey ähnlichen Regelwerk ihre Spiele auf dem Parkett.
Doch noch gehören die E-Rollstuhlfahrer zu den Stiefkindern des Behinderten-Sports. Ständig angewiesen auf einen fahrbaren Untersatz, wird den Schwerstbehinderten eine sportliche Betätigung kaum zugetraut. Trotzdem schaut man hier auch beim Neubrandenburger FSVB nach vorn.
Anläßlich der 1. Kinder- und Jugend-Sportspielen für Behinderten 1991 in Neubrandenburg, erzählt Rita Henning, Lehrerin an der Körperbehindertenschule und gleichzeitig Trainerin der „Nording Bulls“, hätte man mit den Münchner „Animals“ den Europameister in dieser Sportart zu einem Demonstrationsspiel eingeladen. Die Elektro-Rollstuhl-Hockeygruppe des Neubrandenburger FSVB bestand damals lediglich aus drei Spielern. Und die spielerfahrenen Bayern, die auch auf die Idee kamen, die 93er Kontinental-Meisterschaften am Tollensesee auszutragen, übernahmen fortan die Patenschaft über die „Nording Bulls“, schenkten den Viertorestädtern zwei 13.000 Mark teure Spezial-Rollstühle - verbunden mit der Hoffnung, die Neubrandenburger würden bis zur EM auch ein schlagkräftiges Gastgeber-Team zusammenstellen können.
Rita Henning, seit dieser Zeit auf Spieler-Suche, hörte sich um, sprach sogar „Rollies“ auf der Straße an und sah letztendlich ihr Engagement belohnt.
Die für einen Spielbetrieb im Elektro-Rollstuhl-Hockey notwendige Anzahl von fünf Spielern konnte gar noch überboten werden. Mit Steffen Prochnow, Alf Moser, Jan Elbracht, Christian Schad, Rolf Kerptscher und Torsten Pilz ist nun das Sechser-Team der „Nording Bulls“ komplett.
Weitere Mitstreiter gesucht
„Doch wenn wir im nächsten Jahr auch in den offiziellen Spielbetrieb der 2. Liga Nord einsteigen wollen, brauchen wir unbedingt noch Verstärkung“, wünscht sich Alf Moser.
Der 22jährige, durch einen tragischen Sportunfall beim Fußball seit zwei Jahren an den Rollstuhl gefesselt, ist voll bei der Sache. „Eigentlich könnte unser Team noch größer sein. Aber viele der Behinderten, die wir ansprechen, ergeben sich lieber ihrem Schicksal durch Passivität. Macht mal etwas mit mir, lautet ihre Devise. Doch wir hier wollen kein Mitleid, aber auch nicht untätig sein. Denn so wie sich die Behinderten im Leben darstellen, so wird ihnen auch geholfen werden. Das fängt beim Sport an und hört beim Beruf auf“, erklärt der gelernte Elektro-Signal-Mechaniker mit leiser Stimme, weil durch eine Lähmung auch sein Zwerchfell in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Hoffen auf viele Zuschauer
Deshalb bleibt Alf Moser auch mit seinem Heimat-Fußball-Team aus Laiendorf bei Güstrow in Kontakt, schreibt mit einem Mundstift am Computer deren Spielberichte für die Gemeinde-Zeitung.
„Demnächst werde ich mir auch ein CB-Funk-Gerät zulegen und in einen Club eintreten, um die Außenwelt mehr mit den Ideen und Problemen behinderter Menschen vertraut zu machen“, erzählt der Rollstuhlfahrer.
Für das Europa-Championat im Frühling hofft der Mecklenburger auf „recht viele“ Zuschauer und verspricht spannende Begegnungen. „Wenn Arnheim und München gegeneinander spielen, dann ist das genauso, als würde Holland gegen den Fußball-Weltmeister Deutschland antreten: durchdachte Spielzüge Flanken, Pässe und tolle Torszenen. Da können die Leute dann sehen, was auch Schwerstbehinderte noch alles so drauf haben...“
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